Neuropsychiatrische Veränderungen bei Patient:innen mit Parkinson-Krankheit können in jeder Phase der Erkrankung auftreten, dieser teilweise sogar vorausgehen, und beinhalten verschiedene Symptome, wie zum Beispiel Angststörung, Depression, Halluzinationen, Gedächtnisstörungen und sogenannte Impulskontrollstörungen. Zu diesen Verhaltensstörungen zählen u.a. die Sexsucht, Spielsucht, (nächtliche) Essattacken, zwanghaftes Einkaufen oder die unkontrollierte exzessive Einnahme der dopaminergen Medikation.
Diese Impulskontrollstörungen können in ca. 30% auftreten, wobei besonders jüngere Patient:innen besonders gefährdet sind, diese Süchte zu entwickeln.
Als wesentlicher Risikofaktor für die Entwicklung dieser Süchte stehen jedoch die Dopaminagonisten an erster Stelle. Zudem werden andere neuropsychiatrische Erkrankungen, wie zum Beispiel eine Depression oder eine Angststörung bei diesen Personen besonders häufig beobachtet. Eine Ausnahme stellen das Dopamin-Dysregulationssyndrom (Sucht nach Levodopa, zum Beispiel löslichem Levodopa) sowie das „Punding“ Verhalten (repetitives Verhalten, zum Beispiel stundenlanges Basteln) dar, welche beide häufiger durch Levodopa getriggert werden.
Bisher gab es noch keine allgemein gültigen Leitlinien, wie Patient:innen mit Impulskontrollstörungen am besten zu behandeln sind. Die Reduktion und das Absetzen der Dopaminagonisten-Therapie oder die Reduktion von Levodopa beim selteneren Dysregulationssyndrom wurde jedoch in der gängigen Praxis bereits seit Jahren empfohlen. Allerdings entwickeln viele Personen Entzugssyndrome, die die Behandlung oft erschweren. Somit wird, auch aufgrund der mangelnden Einsicht, die Aufklärung der Patient:innen noch vor Beginn der Dopaminagonisten-Therapie im Beisein der Angehörigen ebenfalls seit Jahren empfohlen.
In der aktuellen Ausgabe im Journal Movement Disorders (siehe Referenz unten) wurde nun von mehreren Expert:innen ein Behandlungspfad für Menschen mit Impulskontrollstörungen publiziert.
Die Wichtigkeit der Aufklärung noch vor Beginn der Dopaminagonisten-Therapie wird nochmalig unterstrichen. Denn eine frühzeitige Intervention bei diesen Suchterkrankungen erhöht den Behandlungserfolg.
Allgemeine Therapieempfehlungen sind aufgrund der derzeitigen Studienlage nicht möglich, die Therapie sollte immer individuell erfolgen. In dieser Publikation wird eine Skala von 0-4 für die Schwere der Sucht empfohlen. Während die Zahl 0 keinen Süchten entspricht, ist bei Impulskontrollstörungen der Skala 4 (=schwere Such) ein unmittelbares Handeln erforderlich. Der Behandlungspfad ist in mehreren Abbildungen dargestellt worden. Als Grundregel wird jedoch im Falle von milden bis schweren Impulskontrollstörungen das Absetzen oder zumindest eine Reduktion der Therapie des Dopaminagonisten empfohlen. Bei Auftreten von Entzugserscheinungen wird zunächst eine Anpassung und Steigerung der dopaminergen Therapie empfohlen. Sollte dies nicht ausreichen, wird ein multidisziplinären Ansatz unter Einbeziehung von Psychiater:innen vorgeschlagen. Zudem sollte eine erweiterte geräteunterstütze Therapie wie eine Apomorphin-Pumpe oder eine Levodopa-Pumpe subkutan oder via Sonde erwogen werden. Ebenso sollte eine tiefe Hirnstimulation erwogen werden.
Bei Patienten*innen mit einem Dopamin-Dysregulationssyndrom sollte die Therapie mit Levodopa reduziert werden. Im Einzelfall kann auch die Implantation einer tiefen Gehirnstimulation, einer Apomorphin oder einer intrajejunalen oder subkutanen Levodopa-Pumpe in Frage kommen. Dadurch können Dopaminagonisten abgesetzt und insgesamt die dopaminerge Dosis reduziert und somit eine Verbesserung oder im Idealfall ein Sistieren der Impulskontrollstörungen erzielt werden. Jedoch können gerade diese Interventionen bei einigen Patienten auch zu Impulskontrollstörungen führen, sodass keine klare Therapieempfehlung gegeben werden kann. Begleitend sollte, wenn möglich, immer eine engmaschige psychosoziale Beratung erfolgen, der Zugang zu Kreditkarten und Internet sollte beschränkt werden.
Letztlich hängt die Prognose unter anderem von der Dauer und dem Schweregrad der Sucht und der persönlichen Motivation der Patienten:innen ab, wobei gerade in dieser schweren Zeit ein intaktes familiäres Umfeld wichtig ist. Engmaschige medizinische Betreuung durch den Hausarzt, den behandelnden Neurologen und gegebenenfalls auch durch einen Psychiater werden empfohlen. Ein wichtiger Schritt ist die Aufklärung im Vorfeld.
Bei schweren Impulskontrollstörungen, welche durch Dopaminagonisten ausgelöst wurden, ist häufig eine unmittelbarer oder zeitnahe stationäre Aufnahme notwendig. Zudem sollte bei diesen Personen (im Gegensatz zu der rezenten Publikation), immer ein vollkommenes Absetzen der Dopaminagonisten-Therapie durchgeführt werden, selbst wenn dies zu Entzugssymptomen führt.
Autor:
Priv. Doz. Dr Atbin Djamshidian
P-Update Editoren:
Priv. Doz. Dr. Atbin Djamshidian-Tehrani,
Assoz.Prof. Priv. Doz. Dr. Petra Schwingenschuh
Literatur beim Autor
Management of Impulse Control and Related Disorders in Parkinson's Disease: An Expert Consensus; Debove et al, Mov. Disord. Februar 2024; https://doi.org/10.1002/mds.29700