Bei der Migräne handelt es sich um eine häufige Kopfschmerzart mit typischerweise (mittel-)starken einseitigen pulsierenden Kopfschmerzen. Begleitend können Übelkeit und/oder Erbrechen, Licht- und Lärmempfindlichkeit sowie eine Aura (z.B. Sehstörung, Gefühlsstörung, Sprachstörungen, motorische Störungen) auftreten. Es liegen mehrere Beobachtungen vor, welche einen Zusammenhang zwischen Migräne und verschiedenen neurologischen Erkrankungen, wie z.B. dem Essentiellen Tremor oder dem Restless-Legs-Syndrom, vermuten lassen. Die Datenlage zum Zusammenhang zwischen Migräne und der Parkinson-Erkrankung ist nicht eindeutig. In Populations-basierten Studien aus Island aus dem Jahre 2014 und Taiwan aus dem Jahre 2016 fand sich bei Menschen mit Migräne im mittleren Lebensalter ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Parkinson Syndroms im späteren Lebensalter.
Eine rezent im Journal Neurology publizierte Studie versucht diesbezüglich Klarheit zu schaffen. Diese Untersuchung umfasst eine Gruppe von Frauen, welche zwischen 1992 und 1995 in eine Studie zur Primärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingeschlossen wurden. Die verwendeten Daten wurden bis Ende 2021 gesammelt. Es wurden insgesamt 39312 Frauen eingeschlossen mit jeglicher Art von Kopfschmerzen und ohne Parkinson Erkrankung. Das Vorhandensein von Migräne wurde von den Teilnehmerinnen selbst berichtet. 7321 litten demnach unter einer Migräne. Davon hatten 5168 Teilnehmerinnen innerhalb des letzten Jahres typische Migräne-Kopfschmerzen (ca. 71%), mit (2057 Frauen, ca. 40%) und ohne (3111 Frauen, 60%) Aura. Die Diagnose der Parkinson-Krankheit basierte ebenso großteils auf dem Selbstbericht der Teilnehmerinnen. Im Verlauf des Beobachtungszeitraums (durchschnittlich 21,9 Jahre) entwickelten insgesamt 685 Patientinnen eine Parkinson Erkrankung, von denen 128 (ca. 19%) zeitgleich auch eine Migräne hatten.
Insgesamt konnte rechnerisch kein Zusammenhang zwischen jeglicher Art von Migräne (mit/ohne Aura, symptomatisch im letzten Jahr oder nicht) bzw. der Migräne-Kopfschmerz-Häufigkeit und dem Risiko der Entwicklung einer Parkinson-Krankheit gefunden werden. Außerdem bestand zwischen Patientinnen mit Migräne und Patientinnen mit anderen Kopfschmerzen kein Unterschied bezüglich des Risikos eine Parkinson Diagnose zu erhalten.
Als Stärken dieser Untersuchung müssen die große Fallzahl und der lange Beobachtungszeitraum genannt werden. Als Nachteil ist anzuführen, dass die Diagnose der Migräne und Parkinson Erkrankung großteils selbstberichtet waren, wodurch das Risiko einer Fehleinschätzung besteht. Diesbezüglich ist zu nennen, dass bereits 2009 eine Auswertung mit einer kleinen Gruppe von Frauen derselben Studie erfolgte, welche eine hohe Übereinstimmung zwischen den Migräne-Kriterien der Internationalen Klassifikation der Kopfschmerzerkrankungen (ICHD) und den Angaben der Patientinnen ergab (ca. 88%). Ein weiterer Nachteil der aktuellen Studie ist das Fehlen von Angaben zu Migräne-spezifischen Therapien, welche die Resultate beeinflussen könnten. Letztlich besteht die Gruppe der Studienteilnehmerinnen selbst vorwiegend aus kaukasischen Frauen in Gesundheitsberufen und kann deshalb nur limitiert auf die Allgemeinbevölkerung übersetzt werden.
Zusammenfassend ist anhand der Daten dieser rezenten Publikation Migräne mit und ohne Aura bei Frauen kein Risikofaktor für die Entwicklung einer Parkinson-Krankheit im späteren Leben.
Insgesamt deuten die Ergenisse der Studie darauf hin, dass Migräne mit und ohne Aura bei Frauen nicht als Risikofaktor für die Parkinson-Krankheit zu werten ist. Eine Einbindung in Risikoscores ist auf Basis dessen nicht gerechtfertigt. Die adäquate Therapie der Migräne bei Patienten und Patientinnen hat unabhängig davon einen hohen Stellenwert für das Wohlbefinden der Betroffenen.
Autorin:
Dr. Marina Peball, LL.M., PhD
P-Update Editoren:
Priv. Doz. Dr. Atbin Djamshidian-Tehrani,
Assoz.Prof. Priv. Doz. Dr. Petra Schwingenschuh
Literatur
Ricarda S. Schulz, MSc, Toivo Glatz, PhD, Julie E. Buring, ScD, Pamela M. Rist, ScD, and Tobias Kurth, MD, ScD. Migraine and Risk of Parkinson Disease in Women. A Cohort Study. Neurology 2024;103:e209747. doi:10.1212/WNL.0000000000209747.